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Der Premier ist nicht amüsiert

Adriano Celentano bestreitet einen zweiten Fernsehabend mit Witzen über Berlusconi

Rom – Wie sehr Silvio Berlusconi die Regierungsgeschäfte auch drücken mögen, heute abend wird sich der große Medienzar – wie viele andere Italiener auch – ganz normal freinehmen, um ihn wieder einmal privat mit Freunden und Salzgebäck vor dem Fernseher zu verbringen. Adriano Celentano ist zurück auf dem Bildschirm. Doch heute wird die Pop-Legende nicht etwa seinen klassischen Italo-Blues “Azzurro” noch einmal zum besten geben: “Azzurro, azzurro, der Nachmittag ist zu blau und lang für mich / und ich merke, ich fühl’ mich leer ohne dich.”

Nein, heute abend ist der alte Pop-Star mit einer brandneuen Show in dem Staatssender RAI 1 zu sehen, mit “Rockpolitik”, deren erste Folge sich vor einer Woche elf Prozent aller Italiener nicht entgehen lassen wollten. Und heute werden Roberto Benigni und Eros Ramazzotti, zwei notorisch freche Großmäuler, als Gäste der Sendung erwartet – in der Adriano Celentano zuletzt eine Phalanx von Künstlern fast drei Stunden lang einen Witz nach dem anderen über den Regierungschef und das Thema “Meinungsfreiheit” hatte reißen lassen. Grund genug für eine neue Generalabrechnung des “Cavaliere” mit Italiens Künstlern und Satirikern, die er allesamt der Verschwörung mit der Opposition bezichtigte. Mit der Analyse liegt er nicht unbedingt falsch. Denn seit er die Mitte-links-Opposition im Parlament mit einer souveränen Mehrheit im Griff und Kritiker aus den eigenen Reihen wieder mit geschickten Schachzügen ausgetrickst hat, sperrt sich die Kulturszene des Landes doch weiter so beharrlich gegen eine Unterwerfung unter seine Meinungshoheit wie einst Asterix und Obelix im fernen Gallien gegen Roms siegreiche Legionen.

“Die Linke wird nicht müde, ihre Lügen zu wiederholen, damit sie eines Tages doch noch als Wahrheit erscheinen”, läßt der Premier ihnen trocken über seine Sender ausrichten. Es sei “die alte Masche”, so absurd wie der Vorwurf, er würde “das italienische Mediensystem kontrollieren”. Bei solchen Worten will er es jedoch nicht belassen. Mehr scheint er offensichtlich 250 Millionen Euro zu vertrauen, die er nun aus seiner eigenen großen Tasche in eine mediengerechte Kampagne für seine eigene Wiederwahl stecken will. Diese Unsumme und nicht ein paar neue oder alte Witze über den Regierungschef werden auch heute abend in Europa wieder beispiellos sein.

von Paul Badde

27/10/2005 – Die Welt (Germania)

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